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Leitfaden zu den Vorschriften der EC1935/2004 für Materialien mit Lebensmittelkontakt
Jeder Mensch verbraucht etwa 1,9 kg Lebensmittel pro Tag. Für die gesamte Weltbevölkerung sind das schwindelerregende 5,2 Billionen Kilo pro Jahr. Auf ihrem Weg vom Erzeuger bis auf den Teller kommen Lebensmittel aber mit einer Vielzahl von Materialien in Kontakt, und jedes davon ist eine potenzielle Kontaminationsquelle. Für die Lebensmittelsicherheit kommt es darauf an, dieses Kontaminationsrisiko zu reduzieren. Das fängt damit an, dass Verantwortliche die geltenden Rechtsvorschriften genau kennen und wissen, wie sie einzuhalten sind.
Die Vorschriften der EC1935/2004: Sinnlos oder sinnvoll?
Die EC1935/2004-Verordnung über Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen (Food Contact Materials - FCM) wurde 2004 zum Schutz der Lebensmittelsicherheit europaweit eingeführt. Sie gilt für 17 Gruppen von Materialien, die mit Lebensmittel bei ihrer Herstellung, Verarbeitung, Lagerung, Zubereitung oder Ausgabe in Kontakt kommen. Zum Beispiel in Produktionsanlagen, Transportbehältern für Lebensmittel und in Verpackungsmaterial.
Viele Hersteller und Lieferanten sind diesbezüglich, aber nachlässig. Die nicht standardisierte Durchsetzung in den EU-Mitgliedstaaten und die scheinbar komplexen Vorgaben der Verordnung führen dazu, dass sie von vielen Unternehmen nicht beachtet oder fahrlässig dagegen verstoßen wird. In den Unternehmen kommt es außerdem primär auf Ausfallzeiten, Effizienz und Kosten an.
Aber auch die Lebensmittelsicherheit ist von vitaler Bedeutung und sollte Priorität haben, denn Sicherheitsvorfälle haben die Unternehmen bereits viele Millionen Franken gekostet. So musste Mars im Jahr 2016 20 Millionen Schokoriegel in 55 Ländern zurückrufen, nachdem ein Verbraucher ein Kunststoffteil in einem Produkt gefunden hatte, was zu horrenden Kosten von 12 Millionen Euro führte! Der Kunststoff stammte aus einer Fabrik im Süden der Niederlande, wo sich herausstellte, dass er von einer im Herstellungsprozess verwendeten Schutzabdeckung herrührt.
Ein genauerer Blick auf die EC1935/2004
Bis 2004 waren die Vorgaben für FCM-Materialien in Europa von Land zu Land sehr unterschiedlich, da die Länder eigene Regeln und Vorschriften erliessen. Die EU-Kommission erkannte, dass eine neue EU-Rechtsnorm benötigt wurde, um die Vorgaben für FCM-Materialien zu harmonisieren, und so wurde 2004 die Verordnung EC1935/2004 erlassen. Man bezeichnet diese Verordnung oft als «Rahmenverordnung». Sie wurde 2012 eingeführt und ist seit 2016 in Kraft.
Erstens müssen alle FCM und Gegenstände gemäss der Guten Herstellungspraxis hergestellt werden, damit:
- keine Bestandteile in Mengen in das Lebensmittel übergehen, die die menschliche Gesundheit gefährden könnten.
- die Zusammensetzung des Lebensmittels (z. B. Geschmack oder Geruch) nicht unannehmbar verändert wird.
- organoleptische (auf die Sinnesorgane einwirkende) Eigenschaften nicht beeinträchtigt werden.
Zweitens dürfen die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung eines FCM oder eines Gegenstands die Verbraucher:innen nicht irreführen.
Die gute Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice - GMP) wird in der Verordnung (EC) Nr. 2023/2006 näher definiert, die für alle Materialien und Gegenstände gilt, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Nach dieser GMP-Verordnung sind die Unternehmen verpflichtet, Systeme zur «Qualitätssicherung» und «Qualitätskontrolle» festzulegen, zu betreiben und ihre Funktion zu gewährleisten.
Wichtig ist der Hinweis, dass der Begriff FCM sowohl den direkten als auch den indirekten Kontakt erfasst. Nicht umfasst sind ortsfeste öffentliche oder private Wasserversorgungsanlagen.
Was schreibt die EC1935/2004 vor?
Die Rahmenverordnung EC1935/2004 enthält Vorgaben über die Materialien, ihre Qualität (die durch die gute Herstellungspraxis nach EC2023/2006 erreicht wird), die Rückverfolgbarkeit sowie über Migrationstests und Dokumentation.
Die EC1935/2004 regelt Anforderungen an die allgemeine Anwendung von 17 Materialgruppen, darunter Klebstoffe, Metalle, Keramik, Kork, Glas, Kunststoffe, Papier, Gummi und Holz. Beim Kontakt mit Lebensmitteln kann jedes dieser Materialien das Lebensmittel verändern und seine Qualität beeinträchtigen. Je nach Zusammensetzung und Eigenschaften können sich Materialien bei verschiedenen Temperaturen oder bei Kontakt mit bestimmten Lebensmitteln unterschiedlich verhalten und ihre Bestandteile in einem Prozess, der als «Migration von Stoffen» bezeichnet wird, auf das Lebensmittel übertragen. So können beispielsweise säurehaltige Lebensmittel Metalle angreifen, und die dann entstehenden chemischen Elemente können in ein Lebensmittel übergehen und eine Gefahr darstellen, wenn sie verzehrt werden.
Um das Kontaminationsrisiko auszuschliessen, schreibt die EC1935/2004 vor, dass der Übergang von Stoffen aus dem Material in das Lebensmittel innerhalb bestimmter Toleranzen bleiben muss, und es gibt festgelegte Migrationsgrenzwerte. Hinweis zur darin enthaltenen Migrationsverordnung (EU)10/2011/EU, bzw. deren Korrektur und Ergänzung (EU)1282/1011/EU.
Die vollständige Rückverfolgbarkeit der Materialien ist nötig, um eine Kontrolle zu ermöglichen und um fehlerhafte Produkte zurückrufen, die Verbraucher informieren und die Verantwortlichen feststellen zu können. Daher sind Systeme und Verfahren nötig, um die Unternehmen zu identifizieren, die Materialien liefern und erhalten, und diese Informationen müssen den zuständigen Behörden auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus müssen die Materialien und Gegenstände durch ein geeignetes System identifizierbar sein, das ihre Rückverfolgbarkeit durch Kennzeichnung oder entsprechende Dokumentation ermöglicht.
Korrekte Zertifizierung ist der Schlüssel
Jedes Material muss über ein geeignetes Zertifikat mit definierten Informationen verfügen, um der Verordnung zu entsprechen. Jedes Zertifikat muss die in Abbildung 1 dargestellten Daten enthalten, einschliesslich Material- und Rückverfolgbarkeitsdaten, Konformitätserklärung (DOC) und Erklärung der Food and Drugs Administration (FDA). Die Ergebnisse der Migrationstests und die Aufkleber müssen ebenfalls auf dem Zertifikat stehen, damit es gültig ist. Zertifikate sind übrigens einzuholen, bevor ein Bauteil auf den Markt gebracht wird.
Die Verordnungen gelten für jeden einzelnen Werkstoff und jedes Bauteil, das in direkten Kontakt zu Lebensmitteln kommt. Zum Beispiel benötigt jeder O-Ring in einer Maschine ein Zertifikat für die verschiedenen Materialbestandteile. Und jedes Mal, wenn ein O-Ring durch einen aus einer anderen Materialcharge ersetzt wird, benötigen Sie ein neues Zertifikat für diese andere Charge. Man sollte die Zahl der Komponenten, die ein Zertifikat benötigen, nicht unterschätzen, denn selbst die Schmiermittel für die Lager müssen lebensmittelsicher sein.
Ausserdem richtet sich die Notwendigkeit einer Zertifizierung nach dem endgültigen Standort der Maschine, nicht nach ihrer Herkunft. Und die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften liegt nicht nur bei den Unternehmen, die Lebensmittel herstellen, sondern auch bei denen, die Geräte für die Lebensmittelverarbeitung herstellen.
Die EC1935/2004 und andere Rahmenvorschriften
Da es sich bei der EG1935/2004 um eine Rahmenverordnung handelt, verweist sie auf andere Vorschriften, die ebenfalls gelten und beachtet werden müssen, wie in Abbildung 2 dargestellt. Zum Beispiel muss auch die bereits erwähnte GMP-Verordnung EC2023/2006 einzuhalten.
Für vier FCM-Kategorien gelten zusätzliche, besondere Vorschriften, und zwar für Kunststoffmonomere und -additive, aktive/intelligente Materialien (AIM), Recyclingkunststoffe und regenerierte Zellglasfolien (RCF).
Kunststoffmonomere und -additive unterliegen der Verordnung (EU)10/2011/EU, bzw. (EU)1282/2011/EU, die im Mai 2012 in Kraft trat und Sicherheitsvorgaben für Kunststoffe und Gegenstände regelt, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Diese Verordnung schreibt vor, dass die Kunststoffe keine Veränderungen an den Lebensmitteln hervorrufen dürfen, was durch einen Migrationstest nachgewiesen werden muss, wie in EEC 82/711, EEC 93/8 und EEC 97/48 näher vorgegeben. Für diverse Lebensmittel - von wässrigen, sauren, über alkoholische bis zu fetthaltigen (lipophilen) Lebensmitteln - gelten unterschiedliche Tests. Ein Beispiel für die Migrationswerte auf der Grundlage von Tests ist in Abbildung 3 dargestellt.
Der Hersteller gibt die Betriebsbedingungen vor, z. B. die Art der Lebensmittel, die Temperatur, die Kontaktdauer, die Zahl der Kontakte und die Kontaktfläche, und die Tests müssen nach der Norm EN 1186 in einem ISO 17025-Labor durchgeführt werden.
Eine Materialgruppe, die nicht der (EU)10/2011/EU unterliegt, sind Gummi und Silikon. Für diese Materialien gibt es keine EU-einheitlichen Vorschriften; stattdessen müssen sie den Rechtsvorschriften des EU-Mitgliedstaates oder der jeweiligen nationalen Gesetzgebung entsprechen, in der sie eingesetzt werden.
Alternativ sind sie aber auch dann rechtskonform, wenn sie die Anforderungen in Artikel 3 der EC1935/2004 erfüllen. Dieser Artikel besagt Folgendes:
Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, müssen gemäss den GMP hergestellt werden, so dass sie keine Bestandteile in einer Menge abgeben, die einen der folgenden Effekte auslöst:
- Gefährdung der menschlichen Gesundheit, oder
- Inakzeptable Veränderung der chemischen Zusammensetzung des Lebensmittels, oder
- Verschlechterung der organoleptischen Eigenschaften – Geruch, Geschmack, Aussehen und Farbe – des Lebensmittels.
- Die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Materialien oder Gegenständen darf für die Verbraucher nicht irreführend sein.
Andere internationale Standards, die bei der Arbeit mit Lebensmitteln und bei der Lieferung von Ausrüstungen für die Industrie zu beachten sind, sind z.B. die Normen der US-amerikanischen FDA und des chinesischen Lebensmittelsicherheitsgesetzes NHFPC, die die Lebensmittelsicherheitsstandards in anderen wichtigen Märkten regeln.
Denken Sie stets daran, dass die Einhaltung der FDA-Standards nicht zwangsläufig bedeutet, dass auch die EC1935/2004 eingehalten wird. Man muss dieser EU-Verordnung vielmehr spezielle Aufmerksamkeit widmen.
Die EC1935/2004 in der Praxis
Die EC1935/2004 mag auf den ersten Blick abschreckend wirken. Aber sie ist mit einigen gezielten Massahmen leicht einzuhalten. Folgende Schritte können Sie unternehmen, um diesen Prozess zu erleichtern.
- Einrichten eines Teams für Lebensmittelsicherheit
Das Einrichten eines Teams für Lebensmittelsicherheit (für die Bereiche Qualität, Einkauf, Lagerhaltung und Produktion) ist ein gutes Mittel, um sicherzustellen, dass geeignete Massnahmen geprüft und umgesetzt werden. Wenn die Lebensmittelsicherheit Teil der Unternehmenskultur ist, bedeutet das, dass sich jeder im Unternehmen ihrer Bedeutung bewusst ist und die Sicherheit in den Vordergrund stellt.
- Simulieren einer Rückrufaktion
Es lohnt sich, einmal eine Rückrufaktion zu simulieren, damit sich jeder bewusst wird, wie viel Zeit, Arbeit und Kosten die Behebung eines Sicherheitsvorfalls erfordert. Es ist auch eine wertvolle Übung, um jedem klarzumachen, welche Störungen eine Rückrufaktion verursacht und um zu üben, wie man sich im Falle eines Falles verhält.
- Vorhandene Zertifikate prüfen
Erfassen Sie bereits vorhandene Zertifikate und prüfen Sie, ob sie den EU-Vorschriften entsprechen. Enthalten diese zum Beispiel alle relevanten Informationen und sind die Migrationswerte korrekt?
- Zertifikate und Dokumente speichern
Für den Fall, dass ein Audit stattfindet, ist eine geeignete Speicherung und Verwaltung von Zertifikaten und Dokumenten unverzichtbar. Die Möglichkeit, bei Bedarf schnell auf diese zuzugreifen, gibt Ihnen die Gewissheit, dass Sie die Vorschriften vollständig einhalten.
Arbeiten Sie mit vertrauenswürdigen Partnern zusammen, die umfassende Kenntnisse und Erfahrungen haben mit den technischen und rechtlichen Aspekten der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. Die Spezialist:innen versorgen Sie mit einfachen Ratschlägen zu Materialbewertungen bis hin zu detaillierteren Anleitungen, um Vorschriften jederzeit einzuhalten. So finden Sie sich problemlos in der Gesetzgebung zurecht.
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